Meine Advents- und Weihnachtszeit in Oudtshoorn



Die Advents- und Weihnachtszeit ist zu Hause in Deutschland eine ganz besondere Zeit, die spezielle Traditionen und Bräuche bereithält wie das Plätzchen backen, Adventskalender, Adventskranz, Lichterketten in den Häusern oder Weihnachtsbäume. Die Regale sind spätestens ab September voll mit Schokoladenweihnachtsmännern, Lebkuchen und Spekulatius und man ist den ganzen Süßkram schon fast leid, wenn Weihnachten schließlich gekommen ist. Man freut sich, gemeinsam mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt, dick eingepackt in Winterjacke und Mütze, Glühwein zu trinken und den Lichterglanz zu genießen.

In Südafrika ist vieles anders und doch manches ähnlich.

Ab Mitte November gab es auch hier in Oudtshoorn überall weihnachtliche Schokolade zu kaufen und die Supermärkte und Läden waren voll von Weihnachtsdekoration, die den Dingen in Deutschland sehr ähnelten: Weihnachtsmänner auf Schlitten, Rentiere, Weihnachtskugeln, Lametta und sogar Schneemänner. Besonders die Schneemänner wirkten sehr skurril auf mich in Anbetracht der Tatsache, dass die Außentemperatur weit entfernt von Schnee war. Wenn dann in der Weihnachtsmusikschleife der Läden auch noch „Let it snow“ ertönte, fühlte ich mich manchmal wie im falschen Film. Immerhin brachten die Klimaanlagen dort etwas Abkühlung.

Unter anderem aufgrund des Wetters fiel es mir schwer, in Weihnachtsstimmung zu kommen. Statt Schnee oder Regen, Minusgrade und Frost hat hier mit dem Advent der Sommer Einzug gehalten und wir hatten mehrere Tage, an denen wir bei über 40 Grad geschwitzt haben. Erfreulicherweise ist es zwischendurch auch nochmal auf 25 Grad „abgekühlt“. Insgesamt waren die Temperaturen also bislang wirklich aushaltbar.

Nichtsdestotrotz habe ich versucht, einige Weihnachtsbräuche aus der Heimat aufrecht zu erhalten und so ein bisschen Weihnachtszauber in den Advent zu bringen.

Schon Ende November haben Merle und ich einen Adventskalender für Haus Luigi gebastelt. Diese Tradition ist hier so gut wie gar nicht bekannt. In der Hitze haben wir also Weihnachtsmusik angemacht und haben losgelegt. Merle konnte dabei ihre kreative Ader voll ausleben und gestaltete die Oberfläche des Kalenders sehr liebevoll mit den 24 Zahlen und passenden Ornamenten. Ich verpackte einige Geschenke, Geschichten und Liederzettel, da wir jeden Tag ein Kläppchen öffnen und sich kleine Aufgaben oder Geschenke dahinter verbergen würden. Wir beide hatten viel Spaß dabei, diese Überraschung für die Kinder vorzubereiten und die schweißtreibende Arbeit hat sich gelohnt! Während des Advents waren die Kinder täglich begeistert und voller Spannung, was sich hinter dem nächsten Türchen verbergen würde. Es war schön zu sehen, wie gut die Kinder diese Tradition angenommen haben und wieviel Freude sie damit hatten. Auch für Haus Veronica und Haus Philipp gab es jeweils einen Adventskalender, der ebenfalls kleine Geschenke, Texte oder Lieder beinhaltete. Die Texte waren die Bibeltexte der Adventssonntage, sodass wir mit den Kindern und Jugendlichen auch ins Gespräch darüber kamen, was Weihnachten eigentlich gefeiert wird und dass wir gemeinsam auf das Fest von Jesu Geburt warten. Passend dazu hatte jedes der drei Häuser auch einen kleinen Adventskranz und wir haben die Kerzen am Montag immer zusammen angezündet und ein Lied gesungen. Gemeinsam haben wir so auf Weihnachten hingefiebert.

Insgesamt verging der Advent wie im Fluge. Ich weiß manchmal gar nicht, wo die Zeit geblieben ist. Ein besonderes Highlight im Advent war definitiv die Nikolausfeier am 6. Dezember, über die ich im vorherigen Bericht schon ausführlich berichtet habe. Da die Kinder ab Anfang Dezember Sommerferien hatten, kamen sie in zwei separaten Gruppen morgens und nachmittags ins Center, was unsere Arbeit in der Kinderbetreuung und Freizeitgestaltung intensiviert hat. Wir haben u.a. Weihnachtsbäume und Schneemänner aus Klopapierrollen gebastelt. Mit zwei Kleingruppen der mittleren Jungs und Mädchen haben wir Ausflüge in einen Spiel- und Outdoorpark gemacht, wo sie viel Spaß auf der Wasserrutsche, beim Gokarts-Fahren oder beim Füttern der Tiere hatten. Eine gelungene Aktion für die Kinder, die für einige Zeit unbeschwert spielen und Erlebnisse mit ihren Freunden, auch mal außerhalb des Centers, teilen konnten.

Um irgendwie zu begreifen, dass bald Weihnachten ist und eine unserer Familientraditionen von zuhause aufzugreifen, habe ich an einem Wochenende Plätzchen gebacken. Dank der Rezepte meiner Familie kamen die Priester und Mitarbeiter:innen in den Genuss von Spritzgebäck, Nussplätzchen und Schokoladen-Orangen-Plätzchen. Die Kekse waren schneller verputzt als man gucken konnte, weshalb ich zwei Tage vor Weihnachten nochmal eine zweite Ladung gebacken habe. Um diesen schönen Brauch auch den Jugendlichen näher zu bringen, habe ich an einem Nachmittag gemeinsam mit den Mädels von Haus Veronica Spritzgebäck gebacken. Sie waren begeistert, haben wissbegierig die Tipps angenommen und leckere Plätzchen gebacken. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht mit ihnen zu backen! Stolz haben die Mädchen einige Kekse mit nach Hause genommen und den Rest in Haus Veronica gemeinsam verspeist.

Am letzten Donnerstag vor Weihnachten bekamen alle Kinder des Centers in Haus Luigi eine kleine Überraschung. Nachdem wir die letzten Kläppchen des Adventskalenders geöffnet hatten, gaben die Jugendlichen jedem Kind eine Geschenktüte, in der Süßigkeiten sowie Malbücher und Stifte enthalten waren. Zudem durfte jedes Kind ein Wassereis und einen leckeren Cupcake mit nach Hause nehmen. Alle Kinder haben sich sehr darüber gefreut und noch einmal eine schöne Zeit im Center verbracht.

Daran anschließend haben die jugendlichen Jungs und Mädchen den Grill angeworfen. Als gemeinsamer Jahresabschluss und auch als Dankeschön für die großartige Mithilfe an Nikolaus wurde ein „Braai“ veranstaltet. Als besondere Überraschung hatte ich mir überlegt, Bratäpfel als Dessert zu machen. Grundsätzlich eine schöne Idee, die aber einige Schwierigkeiten bereit halten sollte, da ausgerechnet an diesem Tag und zur unmöglichsten Uhrzeit Stromausfall war. Die ganzen Tage vorher und auch danach hatten wir auf wundersame Weise gar keinen Stromausfall und ausgerechnet an diesem Tag entschied die Stadtgemeinde Oudtshoorn, einen außerplanmäßigen Stromausfall zu machen. Die ganze Prozedur des Bratapfelbackens dauerte nun stundenlang, weil es nur einen gasbetriebenen Backofen in Pater Wims Backstube gibt, der leider nur ein Backblech mit Ober- oder Unterhitze aufnehmen konnte. Somit dauerte es über 40 Minuten bis ein Backblech mal fertig war. Bei insgesamt drei vollen Backblechen kann man sich ausrechnen wie lang die gesamte Prozedur dauerte. Zudem lag die Außentemperatur bei knackigen 35 Grad und die Backstube befindet sich in einem Container, sodass ich mich wie in der Sauna fühlte und hinterher ebenfalls gar war, was meine Gesichtsfarbe eindrucksvoll bestätigt hat. Aber der Aufwand hat sich wirklich gelohnt, denn alle Jugendlichen waren von diesem außergewöhnlichen und für sie neuen Dessert begeistert! Besonders die Vanillesauce hat es einigen angetan, aber auch die süß-säuerlichen Äpfel schmeckten ihnen sehr gut. Und auch der süße Zahn der Priester konnte zufriedengestellt werden, denn es waren noch genug Äpfel für sie zum Probieren übrig.

Das Weihnachtsfest selbst war ziemlich ruhig. Am Heiligen Abend wurden nicht wie bei uns zuhause schon die Geschenke ausgetauscht. Das fand erst am Weihnachtstag selbst statt. Dafür durfte ich um Mitternacht eine wirklich schöne Christmette in der Kirche St. Niklas, die hier in Bridgton ist, mitfeiern. Eine richtige „Stille Nacht“ also. Die Kirche war mit Weihnachtsbäumen (natürlich künstlich) und einer schönen Krippe festlich geschmückt. Hier begann ich das erste Mal wirklich zu realisieren: es ist Weihnachten! Auch wenn das Singen von Weihnachtsliedern in T-shirt und dünner Stoffhose immer noch komisch war.

Am Weihnachtsmorgen habe ich mit Pater Leon und Maud Hl. Messe in der Kapelle des Oratoriums gefeiert, in der ich die Lesung auf Deutsch vorlesen durfte und Pater Leon zudem das Hochgebet auf Deutsch gesprochen hat. Das bedeutete mir sehr viel und hat diese heilige Feier für mich ganz besonders gemacht: Balsam für meine Seele. Ich muss sagen, dass ich in diesen Tagen meine Familie zuhause wirklich sehr vermisst habe. Dank diverser Videochats konnte ich über die Feiertage zwar irgendwie bei meiner Familie sein, aber es war definitiv eine große mentale Herausforderung für mich, nicht real zuhause zu sein. Einmal mehr wurde mir bewusst, wie wichtig mir meine Familie ist!

Am Mittag des ersten Weihnachtstages, nachdem die Priester von den Weihnachtsgottesdiensten in ihren Gemeinden zurückgekehrt waren, haben wir uns im Oratorium getroffen und unsere Wichtelgeschenke („Secret Santa“) ausgetauscht. Im Advent hatten wir bereits ausgelost und jeder hat ein kleines Geschenk für seinen Wichtelpartner besorgt. Das war total gut und alle haben schöne Geschenke bekommen! Dazu gab es sogar leckeren Glühwein, Lebkuchen und Marzipan, was das Weihnachtsgefühl für mich richtig aufflammen ließ. Danach haben wir gemeinsam ein leckeres Weihnachtsessen verspeist, das Pater Leon vorbereitet hatte: Grillschinken mit Kartoffelsalat und diversen anderen Salaten. Als Dessert habe ich eine Apfel-Lebkuchen-Creme vorbereitet, die zusätzlich zur Eiscreme einen gelungenen Abschluss des Menüs bildete. Es war ein schönes und geselliges Beisammensein im weihnachtlich geschmückten Speisesaal des Oratoriums. Natürlich durften auch „Christmas-Cracker“ nicht fehlen – ein Brauch, der hier wie in England populär ist.

Insgesamt waren die Adventszeit und das Weihnachtsfest im Sommer Südafrikas und weit weg von zuhause eine sehr schöne und besondere, aber auch herausfordernde Erfahrung für mich, die ich sicherlich nie vergessen werde!