Von Gott getragen – das christliche Leben und die Spiritualität im Oratorium


Wenn man als Freiwillige wie ich auf dem Gelände des Centers und als Teil der Gemeinschaft der Oratorianer mitlebt bzw. mitgelebt hat, kommt man in sehr enge Berührung mit dem christlichen, katholischen Glauben. Es ist augenscheinlich, dass alle Priester, ihre Arbeit von Gott getragen wissen und dies in ihrem Alltag erkennbar leben. Gott und die Nachfolge seines Sohnes Jesus Christus geben ihnen die nötige Kraft und Energie für die täglichen Herausforderungen. Ich denke, es wäre sehr schwer, dauerhaft mit der Armut und den Schicksalen der Menschen umzugehen, gleichzeitig sich selbst zu verschenken und Menschen auch immer wieder zu vergeben, wenn man seine Sorgen, Ängste und Schwierigkeiten nicht in Gottes Hände legen oder nicht voll Hoffnung auf sein Wirken vertrauen könnte. Es ist sehr wichtig für jeden einzelnen, dass sie in Gemeinschaft in Form des Oratoriums des Hl. Philipp Neri zusammenleben.

Das Leben, welches die Priester hier führen, hat mir noch tiefer gezeigt, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen und nach dem Doppelgebot der Liebe zu leben. Hier habe ich eine Kirche der bedingungslosen Liebe kennengelernt, die niemanden ausschließt und sich jedem Menschen in Not zuwendet. Kirche von ihrer besten Seite! Etwas, was die katholische Kirche leider in den letzten Jahrhunderten nicht immer hinbekommen hat.

Der Alltag hier im Oratorium ist durchwoben von vielen christlichen Elementen. Dies beginnt am Morgen um 7.00 Uhr mit dem Angelus-Gebet und anschließendem Morgengebet sowie der Feier der Heiligen Messe in der Kapelle um 7.30 Uhr. Um 12.00 Uhr kommt die Gemeinschaft der Oratorianer zum Mittagsgebet und Rosenkranzgebet zusammen. Auch vor und nach den Mahlzeiten wird gemeinsam gebetet und dem Herrn für seine guten Gaben gedankt, immer verbunden mit der Fürbitte für alle Menschen, die nichts zu essen haben und Hunger leiden müssen. Am Abend wird sich zum Abendgebet getroffen, um den Tag und die Nacht dankbar in Gottes Hände zu legen. Mit den Kindern im Center wird bspw. vor und nach dem Essen gemeinsam gebetet. Manchmal wird auch in kleinen Gruppen in der Bibel gelesen und über Gott, Jesus oder Heilige gesprochen.

Nicht zuletzt zeugen die Namen der Häuser von ihren großen Vorbildern, dem Hl. Philipp Neri, Hl. Luigi Scrosoppi und der Hl. Veronica.

Darüber hinaus finden sich auf dem ganzen Gelände viele Orte, die eine Verbindung zum katholischen Christentum haben und die Rückzugsorte zum Gebet anbieten. In den Gebäuden findet man z.B. allerhand Kruzifixe, Marienstatuen oder Bilder von Heiligen, im Garten allen voran eine große Statue der Heiligen Gottesmutter Maria, die umrahmt ist von einem Rosenbogen, der im Frühling die Rosenkönigin besonders in Szene gesetzt hat. Eine Treppe mit 50 Stufen führt zur Marienstatue hinauf. Es sind also genauso viele Stufen wie der Rosenkranz Perlen hat. Im Marienmonat Oktober haben wir den Rosenkranz beim Hinaufgehen der „Rosenkranztreppe“ gebetet. Es finden sich weiterhin Statuen und Darstellungen verschiedener anderer Heiliger, z.B. des Hl. Josef, des Hl. Thaddäus, des Hl. Benedikt Dasua oder der Hl. Edith Stein. Es gibt auch einen Außenaltar mit Sitzbänken, wo man Hl. Messe feiern kann sowie einen Altar, der an ungeborene Kinder, die abgetrieben wurden, erinnert.

Ein bisschen kommt man sich auch vor wie im Garten Getsemane, da es zahlreiche Olivenbäume gibt. Darüber hinaus gibt es auch einen kleinen Friedhof oder liebevoll „Garten der Erinnerung“ genannt, wo einige Angehörige der Priester oder Gemeindemitglieder beerdigt sind.

Sonntags sind die Priester in ihren Gemeinden in und um Oudtshoorn und feiern Gottesdienst. Es ist immer wieder schön, sie in die Kirchen zu begleiten und die Menschen in den Gemeinden kennenzulernen. Besonders gern bin ich immer in die Kirche von „Bongolethu“ (ein anderer Teil des Townships) gegangen, da die Menschen die Kirche mit einem stimmgewaltigen Acapella Gesang erfüllt haben. Auch Dysselsdorp (ein kleiner Ort etwa 20 Minuten Fahrt von Oudtshoorn entfernt) gefiel mir sehr, sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Kirche dort von deutschen Missionaren gebaut wurde und der Baustil etwas Heimatgefühl hervorrief. Eine besondere Erfahrung war es auch, Pater Wim zu seiner Gemeinde auf dem Land zu begleiten, zu der er mit seinem Bulli „Tina Turner“ erstmal zwei Stunden hinfahren muss, um dort anschließend noch einmal 1,5 Stunden die Gläubigen von den Dörfern einzusammeln und dann Hl. Messe zu feiern. Nach dem Gottesdienst passiert das ganze natürlich auch wieder rückwärts.

Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Ort ein großes Geschenk des Heiligen Geistes ist und nur aus dem tiefen Glauben an Gott und in der Nachfolge Jesu funktionieren kann.

Und dieser Gott wird auch immer wieder schöpfend erkennbar. Wenn man sich die Entstehungsgeschichte dieses einzigartigen Ortes anschaut, kann man nur staunen, was seit 2006 (in nicht einmal 20 Jahren) passiert und entstanden ist. Und man kann vieles wahrlich als Wunder und als Wirken des Heiligen Geistes bezeichnen. Nehmen wir nur die Angelus-Glocke als Beispiel. Ein Priester, der vor einigen Jahren in Oudtshoorn zu Gast war, hat eine Exkursion in ein Tal in der Nähe gemacht (der Name des Tales bedeutet auf Deutsch so viel wie „Höllental“). Dort traf er auf jemanden, der zufällig noch eine Glocke von einer alten Dorfschule übrig hatte und nicht wusste, was er damit tun soll. Der Priester erzählte ihm, dass die Oratorianer in Oudtshoorn noch eine Glocke suchten und so kam sie als Geschenk an diesen wunderbaren Ort. Auch wenn die Glocke namentlich aus der „Hölle“ kommt, ist sie ein eindrucksvolles Zeichen vom Himmel und von Gottes wundersamem Wirken.

All diese Elemente tragen zur Einzigartigkeit dieses Ortes und seines Wirkens bei. Es ist ein Ort, der mir tiefer gezeigt hat, worum es im Leben wirklich geht:

füreinander da zu sein und einander in Liebe zu begegnen.


Denn: Gott ist Liebe!