Sachin erzählt seine Geschichte vom Leben im Township und seine Beziehung zum Luigi Scrosoppi Care-Center. Interview und Zusammenfassung von Janneke Seemann.
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Sachin arbeitet seit mehreren Jahren im Scrosoppi Care-Center und ist die rechte Hand von Pater Mark, der das Care-Center leitet. Er hat eine besondere Verbindung zum Center, da er als Kind selbst zum Essen und Spielen in die Tagesstätte Haus Luigi kam.
Wir haben uns einen Kaffee gemacht, setzen uns in die Morgensonne neben das Tor, welches uns von dem Township trennt. Einige Kinder stehen bereits vor dem Zaun und warten sehnsüchtig darauf, dass die Kindertagestätte endlich seine Tore öffnet.
Sachin sagt, dass der Geruch der Kinder ihn an alte Zeiten erinnere. Als er klein war, hat seine Großmutter Rosetta auf zehn Enkelkinder aufgepasst, auch auf Sachin. Sie lebten mit 16 Familienmitgliedern in einem Haushalt und auf engstem Raum. Er erzählt, dass die Eltern aber nie präsent waren. „Wir hatten nichts, aber meine Großmutter hat uns geliebt. Sie schenkte uns Liebe und Geborgenheit.“ Sachin erzählt, dass sie zwar auch streng war, aber sie zumindest großzog. Außerdem adoptierte seine Großmutter zwei weitere Kinder und versorgte damit ein Dutzend Kinder.
Von seinen Cousinen und Cousins sind vier drogenabhängig geworden und vier „haben etwas aus ihrem Leben gemacht“. Er erinnert sich, wie sie als Kinder Klamotten aus der Kleiderspende trugen. Es bestand eine absolute Abhängigkeit zu anderen. Damals wurden sie losgeschickt, um nach Essen zu betteln. Es gab nicht genug Essen für alle. Ein Leben am absoluten Existenzminimum. Er habe sich über zwei Wochen nur von Maisbrei ernährt. „Der Hunger war mein täglicher Begleiter.“
Vor allem eingeprägt hat sich, dass er oft hungrig einschlafen musste, das war sehr hart für ihn. Sachin berichtet, dass vor allem die Winterzeit besonders schwierig war. Er hatte keine Schuhe und konnte deswegen nicht zur Schule gehen. Morgens bekam jedes der Kinder ein halbes Butterbrot und sie teilten sich eine Tasse Tee mit fünf Kindern. Aber oft ging er auch ohne Frühstück aus dem Haus. Als das Center 2006 eröffnete war Sachin 12 Jahre alt. Er war einer von ca. 30 Kindern, die am Eröffnungstag dabei waren. Er erinnert sich zurück, dass die Kinder ein Glas Milch bekamen, das war sehr besonders für ihn. Sie spielten gemeinsam Rugby und Fußball. „Ich war jeden Tag aufgeregt und habe mich gefreut, wenn endlich die Schule vorbei war.“
Ganze 5 Jahre kam Sachin jeden Tag ins Center, machte alle Aktivitäten und Ausflüge des Centers mit. Er sagt, er wäre fast wie ein Ornament des Centers. Das Center gab ihm vor allem Hoffnung für die Zukunft seines Lebens. Weil Sachin als Kind wenig Essen zur Verfügung hatte, war sein Energielevel oft sehr gering und er konnte kaum noch spielen. Er erinnert sich an die leckeren Früchte und das Gemüse im Center. Besonders schätzte er die Liebe und Aufmerksamkeit der Betreuer, denn diese blieb Zuhause oft aus. Sachin berichtet das er wenig Selbstvertrauen hatte und gehänselt wurde, er war daher eher ein Alleingänger. Manchmal ging er nach der Schule nicht nach Hause, denn dort „war es auch nicht besser.“ Seine Zähne zu putzen begann er erst, als er zur High-School ging. „90% meiner damaligen Freunde sind drogenabhängig und manche waren schon im Gefängnis.“ Früher hatte Sachin keine Vorbilder oder Idole. Er war sauer, frustriert und aggressiv. Er war Rebellion.
Er erinnert sich an den Drehpunkt zurück. Nach der Schule wurde er zu einer anderen Person und versuchte sein Leben in die Hand zu nehmen. Er hatte keine Erwartungen an niemanden: „Sie schulden mir gar nichts.“ Er hielt ein positives Mindset hoch und wusste, dass er es schaffen kann. Seine große Schwester ging in die Armee. Zu seiner Schwester hat Sachin schon immer ein inniges Verhältnis. Sie unterstütze ihn über einen gewissen Zeitraum finanziell. Ein Cousin ließ Sachin außerdem in seinem Laden arbeiten. Die Prämisse der Schwester war jedoch, dass die Unterstützung nur bis zu Sachins 24. Lebensjahr gilt. 2020 war Sachin durch schwierige Umstände wieder arbeitslos und dadurch sehr frustriert. Im November bot Pater Mark ihm an, als Nachtwächter im Center zu arbeiten. Sachin nutzte diese Möglichkeit, kam aber sehr an seine Grenzen. Der Onkel, bei welchem er vorübergehend untergekommen war, war oft betrunken, sodass Sachin nicht schlafen konnte. Er arbeitete also die ganze Nacht über und konnte sich tagsüber nicht ausruhen. „Das hat meine Nerven sehr strapaziert.“ Pater Mark sah Potenzial in Sachin. So arbeitete er nun zwei Mal die Woche mit ihm und den Jugendlichen in Huis Filip. „Ich kann etwas zurückgeben mit dieser Arbeit.“
Außerdem beginnt Sachin zusammen mit seinem Kollegen Farrel „Frühkindliche Entwicklung“ zu studieren. Er mache das Studium „um den Kindern bessere Möglichkeiten zu bieten“. Außerdem profitiere er selbst als Vater zweier Kinder auch davon.
Im März 2022 hat Sachin seine Frau Mia geheiratet. Nun wohnt er in einer guten Gegend in Oudtshoorn mit seiner Familie. Er sagt: „Ich bin ein besserer Vater für meine Kinder, als mein eigener es für mich war.“ Sein Vater nahm und verkaufte Drogen. Er verließ Sachin und seine Familie als Sachin fünf Jahre alt war. Seine Mutter war immer betrunken, verließ das Haus früh morgens und kam spät abends zurück. Sachin schaffte es jedoch, diesen ewigen Teufelskreislauf zu brechen. Seit seinem 22. Lebensjahr trinkt er keinen Tropfen Alkohol oder nimmt andere Drogen. Er sagt, er sei eine bessere Version seiner selbst. Außerdem ist es ihm wichtig, ein Vorbild für seine eigenen und die Kinder aus dem Center zu sein. Er versucht, eine „gute Umgebung für seine Kinder zu schaffen“. Sachin berichtet, dass er zufrieden sei, aber noch mehr für seine Familie geben möchte. Sachin ist dankbar und froh, dass Gott ihm so geholfen hat. Er sagt, die spirituelle Lebensweise hätte viel verändert. Schließlich sagt er: „Die Karten, die mir das Leben gelegt hat, hab ich ziemlich gut ausgespielt.“
Sachin war ein sehr besonderer Kollege für mich. Durch seine liebevolle und energiereiche Art hat er großartige Arbeit mit den Kindern geleistet. Er war stets für ein Rugbyspiel zu haben und trainierte außerdem einmal in der Woche die Jungs im Fußball. Seine Vergangenheit ermöglicht ihm einen tiefen Zugang zu den Kindern. Ich wünsche ihm, dass er seine Ziele und Träume verfolgen kann und nie vergisst, wie weit er es schon geschafft hat. Ich bin dankbar, mein Praxissemester mit Sachin an meiner Seite verbracht zu haben und dass er seine Geschichte mit mir geteilt hat.
Janneke Seemann