Das fünfmonatige Praxissemester in Oudtshoorn hat mich sehr geprägt und viel lernen lassen. Als ich das Visum von der südafrikanischen Botschaft erhielt, ging ein Traum in Erfüllung. Ich war so dankbar für die Möglichkeit, noch einmal zurückkehren zu können und einen richtigen Abschluss im Center zu finden. Nach einem emotionalen Abschied von meiner Familie und meinen Freunden ging es im März 2022 endlich los. Mit dem Flieger ans andere Ende der Welt. Ich war aufgeregt, aber die Vorfreude überwog alle Mal. Vom kalten Deutschland ging es in den warmen Herbst Südafrikas.

Als ich in George landete, war die Temperaturmarke von 40°C geknackt. Father Leon und Father David hießen mich als Abholkomitee willkommen. Wir fuhren durch die Outeniqua-Berge Richtung Oudtshoorn. Die Schönheit der Natur ist einfach unbeschreiblich. Angekommen in Oudtshoorn, ist alles direkt wieder vertraut. Ich freue mich und denke: „Wie schön ist es, endlich wieder hier zu sein!“ Vor allem freue ich mich darüber, dass viele altbekannte Kindergesichter am Montag auf mich warten. Was hab ich die Kids nur vermisst. In einem neuen Team zu arbeiten ist lehrreich und lustig. Sachin und Farrel sind zwei tolle Arbeitskollegen, mit denen ich mich auch privat gut verstehe. Das Center wird mittlerweile von Father Mark geleitet. Er hat viele Visionen und steckt neue Energie und Elan in Huis Luigi und Filip.

Die Arbeit mit den Kindern macht mir Spaß! Zweimal die Woche leite ich eine pädagogische Einheit an. Diese arbeite ich nach Interessen der Kinder aus und evaluiere sie nach der Durchführung. Natürlich stellt die hohe Kinderanzahl eine Schwierigkeit bei der fokussierten Einzelarbeit und der Gruppenarbeit da.

Es ist einfach unmöglich, in Gruppen mit mehr als 20 Kindern auf einzelne eingehen zu können. Mit den „Big Girls“ habe ich verschiedene Einheiten zu folgenden Themenfeldern gemacht: Kommunikation, Empowerment, Gruppenbildung, Zusammenhalt, Selbstwertstärkung, Lösungsstrategien, Wissenstraining, Vorbildfunktion. Die Mädels waren im Alter von 11 bis 14 Jahre alt und konnten eigene Ideen und Vorstellungen miteinbringen. Die Mädchen und Frauen aus den Townships sind extrem von struktureller gesellschaftlicher Ungerechtigkeit betroffen. Hier gilt es gezielt anzusetzen und Emanzipation und Empowerment zu fördern. Mit den jüngeren Kindern habe ich nicht geschlechtsspezifisch gearbeitet. Inhaltlich haben wir uns oft kreativ und künstlerisch ausgelassen und zu Themen wie Umweltgestaltung und Wahrnehmung, Sinne, Teilen und Gerechtigkeit, Respekt und Regeln gearbeitet. Vor allem haben wir im Bereich der Erlebnispädagogik öfter Ausflüge in den Garten gemacht und über Flora und Fauna gesprochen.

Besonders schön war, dass ich ab April mit der Freiwilligen Hannah aus Rheine zusammengearbeitet habe. Wir haben ein super Team gebildet und haben uns zu engsten Freundinnen entwickelt. Sie an meiner Seite zu haben, war von großem Wert für mich. Über Ostern hatten wir ein paar Tage frei und haben diese für einen Kurzurlaub in Kapstadt genutzt. Das war einmalig. Oudtshoorn ist für mich mehr und mehr zu einem Zuhause geworden. Das Zusammenleben in der Oratoriumsgemeinschaft mit den Fathern war sehr besonders, vor allem die Morgenmesse und das anschließende Frühstück waren ein toller Start in den Tag. Über die Woche haben wir bei teilweise frischen Temperaturen im Center gearbeitet und am Wochenende waren wir mit Freunden unterwegs. Die Work-Life Balance stimmte zu 100 %.

Der Aufenthalt war für mich sehr bezeichnend. Ich habe viel gelernt, neue Erfahrungen gemacht, meine Lebensweise überdacht, Herzensmomente gesammelt, Freunde gefunden und mich selbst unglaublich entwickelt. Auch jetzt, wo ich schon fast wieder ein halbes Jahr zurück bin, erinnere ich mich immer gerne an meine besondere Zeit in Südafrika.



Janneke Seemann