Ich möchte betonen, dass dieser Bericht aus meiner persönlichen Perspektive geschrieben wurde und somit meine subjektiven Erfahrungen enthält. Aus einem anderen Blickwinkel kann sicherlich einiges anders gesehen und interpretiert werden.

Nun lebe ich bald schon fünf Monate in Oudtshoorn. Hier arbeite ich im Scrosoppi Sorgsentrum. Dies ist ein After-Care-Center für Kinder und Jugendliche, die in einer Umgebung leben und aufwachsen, in der Armut, Unterernährung, dysfunktionales Familienleben, Kriminalität, Gewalt, Gangsterismus, Alkohol-, Drogenmissbrauch und AIDS weit verbreitet sind. Sie kommen nach der Schule ins Center und bekommen nach dem gemeinsamen Beten eine warme Mahlzeit. Danach werden die Kinder in Gruppen eingeteilt und wir führen unterschiedliche Aktivitäten wie Fußball spielen, basteln, malen oder tanzen, gemeinsam aus. Wir bieten Ihnen aber auch Unterstützung in Bereichen wie Mathe, Rechtschreibung oder Lesen. Ziel ist es, sie auf jede praktische Weise zu unterstützen und auf ihre besonderen Bedürfnisse einzugehen, damit sie sich aus den Fesseln Ihrer Umstände befreien, die Schule beenden, ein gesundes Leben führen, ihr Potenzial verwirklichen und die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um verantwortungsbewusste, produktive Erwachsene zu werden, die auf positive Weise zur Entwicklung unserer Gesellschaft beitragen werden.

Aber fangen wir von vorne an. Wo ist die Zeit geblieben?

In diesem Bericht möchte ich auf die letzten Monate zurückblicken und euch an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.

Nachdem ich einen Tag vor Abflug endlich mein Visum in den Händen hielt, ging es am 01. Februar 2023 los nach Südafrika. Ich saß im Flieger und weiß noch genau, wie ich mich gefühlt habe. Ich war aufgeregt und habe darüber nachgedacht, was mich wohl erwartet, aber auch, wie ich wohl nach 7 Monaten zurückfliegen werde? Hoffentlich mit einer Menge Erfahrungen und vielen schönen Momenten im Gepäck. Hier wurde mir wieder klar, was für tolle Freunde ich habe und wie glücklich ich mich mit meiner Familie schätzen kann. Ich begab mich mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf meine Reise. Traurig meine Familie und Freunde zurückzulassen, aber mit großer Freude auf das neue Abenteuer blickte ich gespannt in die Zukunft.

Am Flughafen in George, Südafrika angekommen wurde ich sehr freundlich von Sonja und ihrem Mann Cristo empfangen. Die beiden arbeiten ebenfalls im Center. Der Weg vom Flughafen nach Oudtshoorn ist mir in Erinnerung geblieben. Die schöne Natur, die Berge und die netten Gespräche gleich zu Beginn. Ich habe mich direkt sehr wohl gefühlt.

Angekommen bei meiner Gastfamilie Janet und Ihren Kindern Helen und Hans. Hier werde ich die nächsten 7 Monate wohnen. Wir hatten gleich zu Beginn tolle Gespräche und ich wurde sofort als ein Teil der Familie angesehen. Das hat es mir sehr leicht gemacht mich wohlzufühlen und das Heimweh gleich abzulegen.

Nach einem Wochenende Ankommen und Erholen war für mich am Montag mein erster Tag im Center. Natürlich war ich aufgeregt, da ich nicht genau wusste, was auf mich zukommt.

Doch die Aufregung war mal wieder unbegründet. Ich wurde herzlich von den beiden Priestern Pater Leon und Pater Mark in Empfang genommen und habe alles gezeigt bekommen. Unter anderem die unterschiedlichen Häuser, welche das Center beinhaltet und der große Garten. Danach habe ich alle Mitarbeiter*innen kennengelernt. Darunter meine Kolleg*innen in Haus Luigi, in welchem ich eingesetzt bin. Auntie Ingrid, sie arbeitet in der Küche und kocht das Essen für die Kids. Farrel und Sachin, die beiden arbeiten als Sozialarbeiter und unterstützen bei den Nachmittagsaktivitäten mit den Kindern.

Als die Kids nach der Schule ins Center kamen und mich zum ersten Mal gesehen haben, haben sie sich gefreut und mich sofort in Beschlag genommen. Besonders viel Freude hatten sie mit meinen Haaren.

Pater Leon ist an meinem zweiten Tag mit mir durch die Townships gefahren, aus welchem die Kinder kommen und hat mir einiges über die Community und das Zusammenleben erzählt. Das war für mich anfangs etwas erschreckend, da sie größtenteils in „Shacks“ leben. Diese sind ganz einfach gehalten und bestehen größtenteils aus Holz mit einem Wellblech Dach.
Die Kids im Center sprechen größtenteils Afrikaans. Das war manchmal eine Challenge, da ich sie nicht alle verstehen konnte, aber sie waren sehr verständnisvoll. So übersetzen die Kinder Afrikaans in Englisch und bringen mir nach und nach einige Worte in Afrikaans bei. Ein paar der Kids sind auch sehr interessiert in der deutschen Sprache, so bringen wir uns gegenseitig die Sprachen bei und lernen voneinander.
Auf der Arbeit wird mir sehr viel Freiraum geboten meine Ideen und Erfahrungen einzubringen. So darf ich Beispielsweise eine (Alters-)Gruppe nachmittags betreuen und darf mir selbstständig überlegen, was ich mit Ihnen machen möchte. Mit den Kleinsten habe ich zum Beispiel
Schneemänner aus Klopapierrollen gebastelt, passend zu der kommenden Jahreszeit Winter.

Wir haben auch schon Chipstüten recycelt und daraus etwas tolles kreiert oder ein Mosaik aus Bohnen und Linsen erstellt. Mit den älteren Mädels habe ich Armbänder gebastelt oder wir haben verschiedene Spiele draußen gespielt. Außerdem habe ich Netball kennengelernt. Das ist hier in
Südafrika eine beliebte Sportart bei den Mädels und erinnert mich etwas an Basketball.

Das Dach von Haus Luigi ist leider beschädigt und es gibt für das Center, das sich ausschließlich von Spenden finanziert, nicht genügend finanzielle Mittel, um es zu reparieren. Durch den starken Regen der vergangenen Wochen war vor allem der große Raum, in dem wir uns größtenteils mit den Kindern aufhalten, überflutet und wir haben lange gebraucht um ihn zu trocknen und zu reinigen. Den Raum müssen wir somit immer wieder schließen und können ihn nicht nutzen. Um das Dach reparieren zu können, würde sich das gesamte Center, besonders die Kinder, über Spenden freuen.

Neben der Arbeit habe ich besonders durch Janets Kinder eine Menge neue Leute kennengelernt und tolle Freunde gefunden. Zusammen haben wir am Wochenende einiges in Oudtshoorn und Umgebung erkundet. Hier gibt es wirklich viel zu sehen, wie zum Beispiel die Cango Caves, das Game Reserve Buffelsdrift, verschiedene Wasserfälle, aber auch das Meer ist nicht weit entfernt. In einer Fahrtstunde ist man in Wilderness oder Herolds Bay und hat einen schönen Sandstrand unter den Füßen.

Zudem hat mich im April meine Familie eine Woche lang besucht und wir hatten gemeinsam Zeit die Umgebung rund um die Garden Route zu erkunden.

Sie waren auch einen Tag mit mir im Center und konnten sich ein Bild von meiner Arbeit vor Ort machen. Sie waren beeindruckt mit wieviel Engagement und nur über Spenden finanziert, hier gearbeitet wird. Es ist eine wichtige Sache, die den Menschen mehr Lebensqualität schenkt.

Ich bin sehr dankbar für alles, was ich bisher erleben durfte und freue mich auf zwei weitere Monate!

Jana Celine Göth

Oudtshoorn, Südafrika, 20. Juni 2023